Freitag, 14. Oktober 2011

50 Jahre Deutsche Evangelische Gemeinde Oxford

Festschrift der Deutschen Evangelischen Gemeinde Oxford 1989

Ein halbes Jahrhundert besteht in Oxford nun eine kleine deutsche evangelische Gemeinde. In den fünfzig Jahren ihres Bestehens sind sehr unterschiedliche Gruppen deutscher Einwanderer auf diese Gemeinde gestossen und haben in ihr Aufnahme gefunden. Zunächst waren es Hitler-Vertriebene, die die Gastfreundschaft der englischen Christen erfuhren und sich erst in der Kapelle des Mansfield College und dann in der Universitätskirche St. Mary's zu Gottesdiensten in deutscher Sprache versammelten. Eine Heimat bot die Gemeinde nach 1945 aber auch deutschen Kriegsgefangenen, die für die Gottesdienste und das anschliessende gemeinsame Kaffeetrinken ihre Lager verlassen durften. Einige dieser "Prisoners of War" (P.o.W.s) blieben auch nach Ablauf ihrer Gefangenschaft in Oxford, manche von ihnen sind bis heute eng mit der Gemeinde verbunden.
Wichtige Elemente waren ab den frühen fünfziger Jahren auch Au-pair-Mädchen und vor allem mit Engländern verheiratete deutsche Frauen. Diese sind heute das eigentliche Rückgrat der Gemeinde. Belebend wirkte sich daneben auch die Attrak­tivität Oxfords aus, das immer wieder Studenten und Wissenschafter anzog, die auch gerne in der Kirche mitarbeiteten. In einem in Zusammenarbeit mit Mansfield College eingerichteten "Internationalen Kolloquium" wurden ab 1969 aktuelle Fragen wie "Theologie der Revolution?" und "Politische Kirche?" diskutiert. Weitere Impulse gingen schliesslich auch von der 1978 gegründeten europäischen Schule Culham, eines in der Umgebung Oxfords gelegenen Dorfes, aus.
So ist die Geschichte der Deutschen Evangelischen Gemeinde Oxford geprägt durch vielfältige Erfahrungen in fünfzig Jahren - Erfahrungen, die auch ein Stück deutscher und europäischer Geschichte widerspiegeln. Dabei durfte in dieser Gemeinde immer wieder Versöhnung erlebt werden - auch in einer Zeit, die unter ganz anderen Zeichen stand: So fand der erste Gottesdienst in deutscher Sprache in der Oxforder Universitätskirche am 3.September 1939 statt - am Tages des Kriegsbeginns.


Fotos der Universitätskirche St. Mary's und ihrer Umgebung


Mansfield College

Die Anfänge

Für den Pfarrer der Universitätskirche, Bryan Milfort, war es eine Selbstver­ständlichkeit, den deutschen Lutheranern die Gottesdiensträume zur Verfügung zu stellen. Die Hilfe und Aufnahme durch englische Christen war überhaupt für die Gründung der Gemeinde von grosser Bedeutung. Die meisten ihrer ersten Mitglieder waren Nazi-Vertriebene, "nichtarische Christen" (Christen jüdischer Abstammung) und Leute aus der Bekennenden Kirche. Ihre Situation war in Deutschland ver­zweifelt: Wegen ihrer jüdischen Abstammung oder ihres entschiedenen Bekenntnisses verfolgt und bedroht, machten sie die Erfahrung, zwischen sämtlichen Stühlen zu sitzen.
Ein Beispiel ist Else Joseph, evangelische Tochter eines jüdischen Tierarztes.
Als sie Berlin verlassen wollte, wandte sie sich zunächst an die evangelischen Behörden. Dort wurde ihr gesagt: "Sie sind Jüdin. Sie müssen zum jüdischen Hilfsverband gehen." Beim jüdischen Hilfsverband wurde sie als Christin auch abgewiesen. Schliesslich lernte sie eine Quäkerin kennen, die ihr aus Deutschland heraushalf.
Über direkte persönliche Kontakte lief auch die Auswanderung bei H. Calé. Er war nach dem Judenprogrom im November 1938 verhaftet und ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht worden. Eine Entlassung war nur bei einer schriftlichen Zusicherung möglich, dass er auswandern würde. Ein Londoner Geschäftsfreund seines Vaters übernahm schliesslich für ihn eine Garantie, und das machte ihm die Einreise nach England möglich.
Sehr schwierig war es für diejenigen "nichtarischen Christen", die über keine ausländischen Kontakte verfügten. Ohne finanzielle Bürgschaft war eine Einwanderung nach Grossbritannien ausgeschlossen.
Doch es gab in England immer wieder Stimmen, die versuchten, auf die Situation der in Deutschland Verfolgten aufmerksam zu machen und Beziehungen herzustellen. Für die "nichtarischen Christen" spielte G. Bell, Bischof von Chichester, eine ganz wichtige Rolle. Am 27. Juli 1938 nahm er in seiner ersten Rede im britischen Oberhaus zum Flüchtlingsproblem Stellung:
I wish to avoid rhetorital language in speaking of the actual facts and the overriding cause of the German refugee problem, but it is necessary to call attention to the basic element, namely, the figment of an Aryan race. The word 'Aryan' has some relation to language, but has no relation to biology, and it is a poor fantasy for which there is no scientific justification whatever. But the result of this fantasy is that those who are called non-Aryan, especially those of the Jewish race, cannot be counted as Germans, cannot be members of the German state, and must be deprived of every part in the German state and in many cases expelled ...
It is, however, important to notice that the question is not only a Jewish question. There are and will be religious and political refugees, and in particular I wish to emphasize the importance of what are called the non-Aryan Christians - that is to say, the Christians who, according to this racial theory, lack German blood ...
The non-Aryan Christians are worse sufferers than the Jews. While the Jews have the great Jewish Community behind them, the non-Aryan Christians are neither German nor Jews, from this point of view, and their claims on their fellow-Christians throughout the world have not, I am sorry to say, been brought home in the way they should have been brought home to the Christian Churches... .(cf. Hansard, The Parlamentary Debates, Fifth Series, Vol. CX, House of Lords, Official Report FourthVolume of Session 1937-1938, London 1938, S.1206, 1207:27 July 1938)
Für die Entstehung der Oxforder Gemeinde war jedoch die Initiative von Dr. Nathaniel Micklem, Principal des traditionsreichen Mansfield College, noch wichtiger. Micklem hatte sich schon im Ersten Weltkrieg darum bemüht, dass in den Gefangenen­lagern deutsche Gottesdienste für die evangelischen Kriegsgefangenen eingerichtet wurden. Er verfolgte mit grosser Aufmerksamkeit den deutschen Kirchenkampf seit 1933 und sammelte die darauf bezüglichen Schriften und Dokumente. Was sich in Deutschland ereignete, sah er als Symptom der Erschütterung der christlichen Tradition an, das sich, obgleich langsamer, auch in anderen Ländern ausbreitete. Er wollte daher, dass die Theologiestudenten seines Colleges mit einem jungen Pfarrer der Bekennenden Kirche persönlich Kontakt hätten.
Im Frühjahr 1938 besuchte Micklem Deutschland, im Anschluss an diese Reise rief er im 'College Magazine' zur Unterstützung der verfolgten Pfarrer auf:
I might add that, since the Confessional Church in Prussia has been declared illegal and its theological schools have been closed, those whom it ordains are not recogniced and can draw no salaries; collections in Church for the ministers salaries are forbidden, and an increasing number of young ministers are trying to live on a precarious sixty or seventy pounds or so a year. I can hardly exaggerate to you the difficulties of the Church. (Nathaniel Micklem, To the Brethren of the Dispersion, in: Mansfield College Magazine No. 113, July 1938) 
In besonders engen Kontakt war Micklem vor allem mit einem jungen Berliner Pfarrer getreten, dem aus Pommern gebürtigen Hans-Werner Kramm. Dieser wurde bald darauf im Auftrag Micklems von dem Chaplain des Mansfield College, Dr. John Marsh, ein­geladen, in Oxford seine Doktorarbeit zu schreiben. Kramm war - wie auch Joachim Kanitz, der später gleichfalls in der Oxforder Gemeinde wirkte - aus jenem studentischen 'Bonhoeffer-Kreis' hervorgegangen, der sich seit 1932 in Berlin gebildet hatte: Unter D. Bonhoeffer, damals Assistent am Systematischen Seminar, war eine Bruderschaft junger Theologen entstanden. (cf. E. Bethge, Dietrich Bonhoeffer.Theologe.Christ. Zeitgenosse, München 1967)
Auch nach seiner Ordinierung 1933 war diese Verbindung für Kramm wichtig: Unter der Anleitung des Bruderrates stellte er Kontakte her zwischen der Bekennenden Kirche und der schwedischen Kirche. In dieser Position war er in exponierter Stellung und daher besonders gefährdet. Als Micklem ihn traf, war er nervlich angeschlagen und in schlechtem Gesundsheitszustand. Da er eine potentielle Führungspersönlichkeit in der Kirche und ein guter Wissenschaftler war, befürwortete auch der Bruderrat eine weitere wissenschaftliche Qualifizierung nachdrücklich.
Im Herbst 1938 nahm Kramm die Arbeit an seiner Dissertation über 'The conception of Church Order and Ministry in Luther and the early Lutheran Church considered in the light of Non-Roman Christianity in Scandinavia, Germany, and the British Isles' am Mansfield College auf. Diese Arbeit ist dort heute noch einsehbar, wobei leider die interessantesten Passagen, in denen Kramm zu den Geschehnissen in Deutschland Stellung nimmt, fehlen.
Als nach der Reichskristallnacht im November 1938 viele weitere nichtarische Flüchtlinge nach Oxford und überhaupt nach England kamen, bemühte man sich im Mansfield College, ihnen bei den Schwierigkeiten des Einlebens zu helfen. Dr. Micklem war es klar, dass für die evangelischen Nichtarier Gottesdienste in der Muttersprache wesentlich waren, und er stellte dafür Pastor Kramm die Mansfield College Chapel zur Verfügung, kam auch meist selbst zu den 14-tägigen Gottesdiensten. Zum ersten im Februar 1939 kamen acht Personen, zum nächsten schon zwanzig. Die Orgel spielte regelmässig, wie auch sonst für sein College, der senior student, der spätere Professor Eric Routley, mit grossem Verständnis für deutsche Kirchen­musik. Er bewohnte das Turmzimmer im College, wohin er die Gemeinde nach den Gottesdiensten einlud: "Nothing in this country without a cup of tea."
Im Herbst 1939 fanden die deutschen evangelischen Gottesdienste in der Oxforder Universitätskirche St. Mary the Virgin statt - der erste am 3. September, am Tage des Kriegsbeginns. Der Predigttext für diesen Tag war: "Durch Stillesein und Hoffen würdet ihr stark sein." Im Anschluss daran hielt Pastor Kramm eine offizielle Dankrede. Marianne von Kahler, die damals beim Pfarrer der Universitätskirche, Dick Milford, wohnte, erinnert sich daran mit einem Schmunzeln: "Diese formelle Danksagung war eine typisch deutsche Idee. Der englische Pfarrer, Mr. Milford, dagegen sah alles etwas gelassener und fragte mich: "Do you think I shall better go and do some smiling?"
Doch im Evensong, der etwas später am Abend stattfand und den einige Glieder der Gemeinde besuchten, sagte Mr. Milford seiner Gemeinde, sie seien froh und dankbar, dass sie der deutschen evangelischen Gemeinde für die Dauer des Krieges Gast­freundschaft gewähren könnten, denn darin zeige sich, dass die Christen durch den Glauben an ihren Herrn verbunden blieben, auch wenn die Völker durch den Krieg getrennt seien.
St. Mary's hat sich treulich bemüht, dies Wort in der Kriegs- und Nachkriegszeit in die Tat umzusetzen. Auch die anderen Kirchen in Oxford waren stets bemüht, der Gemeinde behilflich zu sein. Dr. Moore, Fellow von St. John's College, nahm Pastor Kramm zu einem sehr bescheidenen Pensionspreis in sein Haus. Seine Frau liess es sich nicht verdriessen, wenn rat- und trostbedürftige Gemeindeglieder zu allen Tageszeiten ins Haus kamen, obwohl sie mit drei kleinen Kindern sehr beschäftigt war.
Es gab überhaupt viel zu raten und zu trösten. Wenn die spärlichen Briefe des Roten Kreuzes ausblieben, wusste man oft nicht, ob die Angehörigen in der alten Heimat verschleppt, ausgebombt oder gefallen waren. Dazu kam vielfach materielle Bedrängnis, denn erst nachdem die Kriegswirtschaft in Gang gekommen war, wurde auch die Arbeitskraft aller Refugees gebraucht.

Zeit der Internierung

Auch in anderer Hinsicht war die Anfangszeit in England für die ersten Gemeindeglieder nicht einfach. Den deutschen Flüchtlingen wurde gerade bei Kriegsbeginn oft mit Misstrauen begegnet, und im Frühjahr 1940 wurden alle männlichen enemy-aliens zwischen 16 und 65 Jahren interniert. Pastor Kramm hatte plötzlich in den Internierungslagern eine neue Gemeinde, mit der er Gottesdienste hielt, die Bibel auslegte und der er Vorträge hielt.
Fräulein I. Steinitz war eine der wenigen Frauen, die interniert waren. Als Tochter eines Berliner Juristen hatte sie Deutschland verlassen müssen und wohnte nun in der Umgebung Oxfords, wo sie bei einem Pastor Jackson als Küchenhilfe ar­beiten konnte. Hier hatte sie Schwierigkeiten bei der Eingewöhnung, denn die Küchenarbeit war für sie noch sehr ungewohnt und neu. Vorher hatte sie immer im Büro gearbeitet.
Über den Vorfall, der zu ihrer Internierung führte, und der Zeit auf der Isle of Man gibt I. Steinitz folgende Schilderung:
Nach einiger Zeit kam eine Freundin in dieselbe Gegend, ich war natürlich sehr glücklich darüber, denn zu zweit war alles viel einfacher. Wir besuchten eine Bekannte von ihr, eine Amerikanerin in London an unserem freien Tag. Sie wohnte am Bahnhof Victoria. Wir hatten Tee, und sie begann voller Mitleid mit uns beiden: "Ach wie schrecklich, Sie mussten nun nach England, wie gefällt es Ihnen denn?" Ich sagte: "Ich muss immer kochen, ich bin das nicht ge­wohnt, ich bin noch nicht sehr gut im Haushalt, sehr schön ist es nicht." Sie fragte mich: "Haben Sie noch Verwandte in Deutschland?" Ich sagte: "Ja, ein Bruder lebt noch in Berlin." Der Krieg war noch nicht ausgebrochen, aber es war schon verboten zu schreiben. Sie sagte darauf: "Ich werde demnächst zurückfahren nach Amerika, aber ich fahre über Deutschland, wenn Sie mir einen kleinen Brief mitgeben wollen an Ihren Bruder, dann werde ich den in Deutschland einstecken. Das ist doch für Sie ganz beruhigend." Ich schrieb einen ganz kleinen Brief, in dem nur stand: "Also, es geht mir gut, alles in Ordnung, ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, Euch zu schreiben."
Damit war die ganze Angelegenheit für mich vergessen, bis ich dann eines Tages plötzlich interniert wurde. Ich war die einzige der Frauen, die interniert wurde. Es wurde mir ein Jahr lang nicht gesagt, was der Grund dafür war. Dann wurde ich gefragt, ob ich mich noch daran erinnere, dass ich jemandem einen Brief mitgegeben habe. Da erst ging mir ein Licht auf. Ich wurde dann gefragt, ob ich die Zensur umgehen wollte, und ich sagte, dass ich einen Fehler gemacht habe. Es hat mich eine lange Zeit in der Internierung gekostet, bis alles nach­geprüft wurde.
Ich war auf der Isle of Man. Hier waren britische Faschisten gemeinsam mit politischen Gefangenen und deutschen Juden eingesperrt. Meine Tante war aus Versehen auch eingeliefert worden. Das Gefängnis war fürchterlich. Als der Krieg näher kam, wurde uns verboten, Zeitungen zu lesen oder Radio zu hören. Man wurde allmählich hysterisch, Gerüchte wurden verbreitet.
Dass die Mehrzahl der Internierten nach sechs bis zwölf Monaten, als sich keine Invasion der Nazis ereignete, wieder entlassen wurden, ist weitgehend dem Bischof Bell von Chichester, den Quäkern und anderen humanitär gesinnten Kreisen zu verdanken. Einmal mehr intervenierte Bischof Bell im House of Lords:
Who are the men - I would confine myself to the men - who have been interned in these alien internment camps since May? Some are Nazis, real enemy aliens - not very many. Some are men whose attitude to this country is doubtful - not a great number. Others are men whose friendship for this country is certain. Of these, some have settled many years in this country and have well-established ties of hearth and home, but a great many came into this country from Germany and Austria as refugees who not only love England and are grateful for the shelter und hospitality which England has given but loathe the present Nazi regime which made life unbearable for them ....(Hansard, The Parlamentary Debates, Fifth Series, Vol. CXVIII, House of Lords, Official Report Third Volume of Session 1939-1940, London 1940)
Vor Weihnachten 1940 wurde Fräulein I. Steinitz aus der Internierung entlassen, und auch Pastor H.W. Kramm kehrte zu seiner Gemeinde zurück.

Begegnungen mit der Anglikanischen Kirche

Die Begegnungen mit der Anglikanischen Kirche waren auch in der folgenden Zeit wichtig für die Deutsche Evangelische Gemeinde Oxford. Im Mai 1940 predigte Bischof Bell aus Chichester zu der Flüchtlingsgemeinde: "Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die künftige suchen wir."
Gleich darauf predigte der Bischof von Chichester wieder. Als Text hatte er das Bussgebet des Zöllners gewählt: "Gott sei mir Sünder gnädig."
In den Kriegsjahren wuchs die Gemeinde langsam, als die aus London Evakuierten zu ihr kamen. Manchmal predigte nun der damalige Pfarrer von St. Mary, der Rev. Milford.
Es war ein grosser Tag für die Gemeinde, als im Februar 1943 der Erzbischof von Canterbury, Dr. Temple, zu ihr kam und predigte. Er sprach über das Wort des Apostels Paulus, das die Gemeinde als Wirklichkeit immer wieder erfahren hat: "Hier ist kein Jude noch Grieche, hier ist kein Knecht noch Freier, hier ist kein Mann noch Weib; denn ihr seid allzumal einer in Christus Jesus." Galater 3,28
Ein paar Monate nach dem Erzbischof besuchte der Bischof von Oxford, der hochkirchliche und sehr gelehrte Dr. Kirk, die Gemeinde. Er äusserte Pastor Kramm gegenüber, dass man der Gemeinde als lutherischen Gemeinde Gastfreundschaft gewähren müsse. Wäre sie reformiert, wäre es das Gegebene, sich den Presbyterianern anzuschliessen. Diese Ansicht wurde nicht unbedingt von allen englischen Kirchen­führern geteilt. Seine Absicht, in einem lutherischen Gottesdienst zu predigen, konnte Bischof Kirk wegen seiner schlechten Gesundheit nur einmal durchführen.
Nachdem Hans-Werner Kramm 1941 seinen Ph.D. gemacht hatte, hörte sein Stipendium vom Mansfield College auf. Zum Glück bot ihm damals die Mariengemeinde in London eine halbe Pfarrstelle an, die sie aus früher gestifteten Fonds bezahlen konnte. Ihre Kirche war zerbombt, ebenso wie die deutsche evangelische Kirche in Sydenham und die reformierte St.Pauls-Kirche im Osten von London. So bestand Anlass zu der Befürchtung, dass sich die Gemeinde verlaufen würde. Besonders die älteren Gemeinde­glieder waren verängstigt. Sie fürchteten, dass als Folge der Bombenangriffe ähnliche Ausschreitungen gegen die Deutschen vorkommen könnten, wie sie sie 1916 nach der Torpedierung der Lusitania erlebt hatten. Zum Glück verwirklichten sich diese Befürchtungen nicht. Dies ist wohl auch den englischen Kirchen zu verdanken, die sich im 2. Weltkrieg entschlossen gegen jeden Chauvinismus in der Bevölkerung wandten.
Die zweite Hälfte von Kramms Gehalt kam zum Teil vom Mansfield College, das - erfindungsreich wie immer - vorschlug, dass Kramm Vorlesungen über Luthers Theologie im Regents Park College halten sollte. Man erhoffte sich dadurch auch eine Aus­weitung der Luther-Forschung in England, die immer zu kurz gekommen war. Die Errichtung eines lutherischen Lektorats am Mansfield College geht auf Kramm zurück.
Den restlichen Teil von Kramms Gehalt mussten die Gemeinden selbst aufbringen. Dabei wurde weitgehend das Tütensystem benutzt. Es ist freilich immer gelungen, den Betrag aufzubringen, auch dann noch, als Pastor Kramm wegen seiner zunehmenden Arbeit für einige Wochenstunden eine Sekretärin brauchte und sich schliesslich auch ein eigenes Zimmer mieten musste.


Eine neue Heimat für die Flüchtlinge
Da Kramm jede zweite Woche in der Londoner Mariengemeinde war, fanden die lutherischen Gottesdienste in der Universitätskirche mit den alten gotischen Türmen und dem Barockportal nun alle vierzehn Tage statt. Anschliessend ging die Gemeinde in die Old Library (einem Versammlungsraum im 1. Stock) zu einem Vortrag und einer Diskussion. Regelmässig wurden Bibelstunden abgehalten, die auch nicht ausfielen, wenn der Pfarrer einmal nicht da war. Bei Gemeindenachmittagen im Hause von Dr. Meininger sprachen entweder er selbst, Prof. Grünhut, Prof. Schulz oder andere über Themen aus ihrem Forschungsgebiet. Vor allem aber übernahmen drei jüngere Frauen abwechselnd den Kindergottesdienst in der Old Library.
Auch ein Jugendkreis in Pastor Kramms Wohnung fand reges Interesse. Man kam nicht nur zusammen, um weltanschauliche Fragen zu besprechen, sondern auch, um Werke der Literatur vom "Faust" an zu lesen. Es bestand ein reger Nachholbedarf, weil für viele Teilnehmer der Unterricht in deutschen Schulen jäh abgebrochen worden war.
So wurde die Deutsche Evangelische Gemeinde in Oxford allmählich zu einem wichtigen Faktor im Leben der deutschen Flüchtlinge. Fräulein I. Steinitz erinnert sich an ihre erste Begegnung mit dieser Gemeinde:
Nach meiner Rückkehr nach Oxford kam ich mir oft einsam und verloren vor, ich kannte keinen Menschen. Es gab ein Refugee-Komitee, das uns zunächst, mal wieder mit Kleidern ausstattete. Sonntagnachmittage waren immer frei für die Haus­angestellten. Mir wurde empfohlen, in die Church of England zu gehen, aber dort wollte ich nicht hin. Ich hatte einmal einen Gottesdienst in der Anglikanischen Kirche besucht und fühlte mich dort gar nicht zu Hause. Dann machte man mich auf ein Quäker-Meeting in der High Street mit anschliessendem Tee für alle auf­merksam. Dieses Quäker-Meeting sagte mir aber nicht zu, es war zu ruhig.
Das war im November 1940, es war die Zeit des 'blackout' in Oxford, alles war wegen der Gefahr von Angriffen verdunkelt. Ich ging auf die Strasse und wollte nach Hause gehen. Als ich zur High Street kam, sah ich eine grosse Kirche, die erleuchtet war. Das zog mich sehr an, ich ging hinein und zu meiner grossen Überraschung hörte ich deutsches Gerede: "Um Gottes Willen, was machen wir bloss?" - Offensichtlich herrschte grosse Aufregung. Ich fragte: "Was ist denn los?" Und mir wurde gesagt: "Wir hatten hier eben einen deutschen Gottesdienst, und unsere Orgel ist kaputt." Sofort kam Frau Liepmann und fragte: "Wer sind Sie?" Und ich antwortete:" Ich war noch nie hier, ich bin gerade erst angekommen." Sie erwiderte:" Na, dann müssen Sie mich ja besuchen kommen und hier in die Kirche eintreten." Ich hatte etwas Bedenken und sagte: "Ich bin eigentlich nicht christlich, eigentlich gehöre ich zu gar keiner Religion." "Das hat gar nichts damit zu tun", meinte darauf Frau Liepmann. Sie schrieb meine Adresse auf, und das war der Beginn von allem. Das nächste Weihnachtsfest war dann bereits in dieser Gemeinde, es war sehr schön, Pastor Kramm predigte.

Eine bleibende Erinnerung war der erste Gottesdienst in deutscher Sprache, den sie in Oxford erlebte, auch für Frau Elisabeth Reynolds. Die aus Karlsruhe stammende Tochter eines jüdischen Psychiaters war bereits getauft, da ihr Vater wollte, dass seine Kinder im christlichen Glauben aufwachsen: 'Ein Volk, eine Religion' war seine Auffassung.
E. Reynolds kam zuerst als mother's help nach Sommerset. Als Hitler einmarschierte, kam sie 1940 nach Oxford - Flüchtlinge durften nicht mehr in Grenzprovinzen sein. Im gleichen Jahr besuchte sie zum ersten Mal einen Gottesdienst in deutscher Sprache in der Universitätskirche St. Mary's:
Die ganze Kirche - nicht nur der Chor - war voll, neben den Oxforder Refugees waren auch die aus London Evakuierten da. Pastor Hildebrandt (später Professor der Theologie in Edinburgh) hielt eine wunderbare Predigt. Der erste Abend ist ist mir auch sonst in Erinnerung geblieben: Es war alles ganz verdunkelt - es war die Zeit des 'blackout' - aber es war eine wunderbare klare Mondschein­nacht, der Vollmond beschien die Mauern des benachbarten All Souls College - es war wunderbar.
In das Gemeindeleben einbezogen wurde Elisabeth Reynolds dann auch durch Pastor Kramm. Dieser beklagte sich, dass er so viele Briefe zu schreiben hatte, und Frau Reynolds bot sich an, ihm an ihren freien Nachmittagen zu helfen:
Das hat übrigens meinen Eltern sehr geholfen, die in ein KZ nach Frankreich deportiert waren. So sind sie auf eine protestantische Gemeinde in Frankreich gestossen.

Im März 1943 kam Dr. Johann Schneider als Einundzwanzigjähriger nach Oxford, um am Statistischen Institut der Universität zu arbeiten. Er suchte gleich einen Gottes­dienst in der deutschen evangelischen Gemeinde auf:
Ein Jahr in Oxford - ein unverhofftes Glück mitten im Kriege. Und endlich wieder in einer Gemeinde unserer eigenen Kirche. Dort lernte ich auch Pastor Kramm kennen, der die Gemeinde im Februar 1939 in Mansfield College gegründet hatte. Mit H.W. Kramm hat mich dann, vor allem später in London, eine jahre­lange Freundschaft verbunden. Ihm verdanke ich sehr, sehr viel. Durch ihn und seine Gemeinden Oxford und St. Marien-London, viel mehr als daheim in Böhmen, habe ich erst richtig lutherische Kirche, lutherische Gottesdienste, lutherische Theologie und den eigentlichen Reichtum unserer schönen Lieder kennengelernt. Und noch vieles andere durch den Jugendkreis in seiner Wohnung, der hat auch meinen deutschen Wortschatz wieder aufgefrischt, der durch Jahre in Süd­westengland etwas eingerostet war!
In mancher Hinsicht war das Jahr in Oxford nicht leicht für mich, aber die Gemeinde hat mir und vielen anderen Halt und Heimal geboten und so manche Freundschaft begründet.


Frau Dr. Ursula Behr, die im Jahr 1941 nach Oxford kam, berichtete über die Früh­zeit der Gemeinde Folgendes:
In Oxford erfuhren wir Flüchtlinge nicht nur von kirchlicher Seite viel freund­liches Entgegenkommen. Die Schwestern Ruth und Rosemary Spooner veranstalteten in ihrem Haus Musikabende, zu denen sie besonders die deutschen Flüchtlinge ein­luden, die dort zwanglos englische Gäste kennenlernen konnten. Die christliche Studentenbewegung (S.C.M.) lud uns zu Clubabenden ein, wo man ausser einem anregenden Programm Leute aus aller Herren Länder treffen konnte und sich nicht als Fremder unter lauter Einheimischen zu fühlen brauchte.
Die Haltung der englischen Bevölkerung zu den 'enemy aliens' war viel toleranter als im 1. Weltkrieg, wo die in England ansässigen Deutschen vielfach angefeindet wurden. Man hatte jetzt gelernt, zwischen Deutschen und Nazis zu unterscheiden.. Als ich mir während des Krieges per Zeitungsannonce eine neue Stellung im Haus­halt suchte und angab, dass ich Deutsche sei, bekam ich nicht weniger als 17 Angebote. Haushaltspersonal war ausserordentlich knapp, aber es war doch bemer­kenswert, dass so viele Familien bereit waren, eine Deutsche in ihr Haus zu nehmen.
Der einzige, der etwas streng mit uns war (von Amts wegen), war der junge Wachtmeister von der Oxforder Polizei. Wir hatten damals eine Sperrstunde von zehn Uhr abends ab, aber Pastor Kramms Jugendkreis in seiner Wohnung dehnte sich meist länger als bis zehn Uhr aus. Mein Weg führte an der Polizeistation vorbei, und ich legte ihn zu Fuss, möglichst schnell, in unauffälliger dunkler Kleidung zurück, wurde auch nie gefasst.
Finanziell waren unsere Gemeinde und ihr Pastor recht knapp dran, wir alle lebten von Zuwendungen der Flüchtlingskomitees oder hatten eine sehr bescheidene Stel­lung. Umso nötiger war es, dass die Gemeindeglieder zusammenhielten und fürein­ander sorgten. Wenn der Pastor ein neues Hemd brauchte, machte ihm ein des Schneidern kundiges Gemeindeglied eins aus zwei alten. Die Gemeinde war für viele der Ersatz für eine Familie. Man hatte noch nicht so festen Fuss in Eng­land gefasst, dass man an Heiraten oder die Gründung einer Familie denken konnte. Trotz des Flüchtlingschicksals, trotz des Krieges und der Sorge um das Ergehen der Freunde und Verwandten in Deutschland, gehören für mich die Jahre in Oxford zu den glücklichsten Zeiten meines Lebens. Möge Gott der Gemeinde in Oxford und ihrem Pastor weiterhin seinen Segen und viel fruchtbare Arbeit schenken.

Gemeindeleben und Zusammensetzung der Gemeinde

Insgesamt war die Gemeinde - wie man es in Oxford erwarten wird - weitgehend aus Intellektuellen zusammengesetzt. In ihr fand sich z.B. eine Musiklehrerin von Zuccari aus Wien, ein Architekt Ahrens, der Jurist Professor Leipholz, dessen Frau Sabine Leipholz-Bonhoeffer - die Zwillingsschwester Dietrich Bonhoeffers - das Leben der Gemeinde in ihrem Buch "vergangen, erlebt, überwunden. Schicksale der Familie Bonhoeffer" (5) geschildert hat. Leo Liepmann war ein Professor im geisteswissen­schaftlichen Bereich, Elisabeth Liepmann wurde zu einer der tragenden Säulen der jungen Gemeinde. Sie war es, die Neuankömmlinge: zum Kaffee einlud und dadurch die Integrierung erleichterte. Auch trug sie durch die in ihrer Wohnung stattfindenden Bibelstunden und durch zahlreiche Besuche zum Zusammenhalt der Gemeinde ganz wesent­lich bei. Da sie meist einen Korb bei sich hatte, aus dem sie häufig Geschenke hervorholte, ging sie als "Heilige Elisabeth" in die Gemeindegeschichte ein.
Sehr wichtig war auch Fräulein Else Joseph, die gleichfalls kontinuierlich im Ältestenrat der Gemeinde vertreten war. Neben ihrer organisatorischen Tätigkeit machte sie sich auch sehr um das 'Social' verdient, - die im Anschluss an den Gottesdienst und andere Veranstaltungen stattfindenden Treffen bei Kaffee (bzw. Tee) und Kuchen. Sehr verdient um die Gemeinde machten sich in dieser Zeit - neben anderen - auch Frau E. Reynolds, Fräulein I. Steinitz und Herr und Frau Trent.
Unbedingt zu erwähnen unter den ersten Gemeindegliedern sind auch die nichtjüdischen, sehr treuen Hausangestellten, die mit ihren jüdischen Familien Deutschland verliessen. So kam Anna Menzel mit der Musikverleger-Familie Bringsheim, und Fräulein Hubert mit der Apotheker-Familie Hammerschmidt.
Das Gemeindeleben war gerade in der Kriegszeit reich an besonderen Ereignissen. Da war zunächst die Weihnachtsfeier, zu der die Familie Dr. Moore der Gemeinde am 4. Advent ihr Erdgeschoss überlassen hatte. Zuvor hatten sie die Erlaubnis bei der Polizei einholen müssen, die für eine Zusammenkunft bei mehr als zwanzig enemy-aliens nötig war. 80 - 100 Personen drängten sich bei Kaffee und Gebäck bis in den Flurhinein und die Treppe hinauf. Zum Singen beim Christbaum kamen die Moores von ihren Freunden zurück.
Sehr willkommen waren in der Gemeinde stets die Besuche von P. Hildebrandt, Cambridge, P. Rieger von St. Georg und P. Büsing von der Christusgemeinde, London, zu Predigten und Vorträgen. Sehr eindrücklich brachte die damals herrschende Stimmung Pastor Hildebrandt zum Ausdruck, vor allem in seiner kleinen Schrift "Paul Gerhardts Lieder, eine Theologie für Refugees, die ihr Refugium suchen." Pastor Rieger, der schon am längsten im Lande war, besass einen unerschöpflichen Vorrat an Kenntnissen der Geschichte der deutschsprachigen evangelischen Gemeinden seit 1669 und des alten London. Pastor Büsing wurde als einziger deutscher Pfarrer nie interniert, da er im Bloomsbury House in der kirchlichen Zentrale für die Refugee-Arbeit mitarbeitete und daher unabkömmlich war. Er übernahm mehrmals den Qxforder Gottesdienst während Pastor Kramms Internierung. Wenn er nicht konnte, predigte entweder Dr. Marsh oder der damalige Chaplain von Exeter College, die beide in Marburg studiert hatten. Gelegentlich predigte später auch der Theologiestudent Pierre Fraenkel, wobei Kramm es sich freilich vorbehielt, die Predigtentwürfe vorher durchzulesen, zu korrigieren und dann zu unterzeichnen.

Aus NS-Deutschland emigrierte Gemeindemitglieder
(Dieser Abschnitt beruht auf einer Mitschrift von Walter Böhme anlässlich eines Gemeindeabends der deutsche Gemeinde. Zum Teil wurde sie aufgrund von Kurzinterviews ergänzt.)

Frau Elisabet Reynolds:

Elisabet Reynolds, geborene Neumann, wurde als erste von zwei Töchtern des Psychiaters Max Neumann und seiner Frau Henny-Dora 1903 in Karlsruhe geboren. Als sie 1939 nach England kam, arbeitete sie – wie so viele – zunächst als Haushaltshilfe. Sie arbeitete in Somerset, dann in der Nähe von Exeter, Devon. Als im Zuge der Sorge vor einer deutschen Invasion alle Deutschen die Grenzprovinzen verlassen mussten, ging sie zunächst nach London und kam dann 1940 nach Oxford. Die erste Predigt, die sie in St. Mary's hörte, war von Franz Hildebrand ("sehr eindrucksvoll!"). Mit 40 Jahren begann sie die Ausbildung zur Krankenschwester der Psychatrie.

1940 waren ihre Eltern nach Frankreich ins 'Camp de Gurs' deportiert worden. Wenige Tage vor dem vorgesehenen Transport nach Osten in ein Vernichtungslager wurden sie im Zuge der Invasion von den Amerikanern befreit. Zunächst konnten sie nicht aus Frankreich ausreisen und lebten dort in einem kleinen Zimmer, wo Max Neumann sein Werk über "Die Angst" schrieb. 1946 konnten sie dann nach Oxford Headington zu ihrer Tochter Elisabeth übersiedeln. Sie starben 1950.

1957 heiratete Elisabeth Neumann Mr. David Reynolds, der 1963 starb; doch hörte sie während der Ehe nicht auf, als Schwester am Warneford Hospital in Headington zu arbeiten.

 Ihre Schwester Hildegard konnte mit ihrem Mann nach Schweden emigrieren. Durch die Familienfreundschaft mit der Mutter von Gerhard Leipolds ernte Elisabet Neumann schon in Deutschland Sabine und Dietrich Bonhoeffer kennen. Im Exil traf sie die Leipoldzens in Oxford wieder.


Frau Schoenfeld:

1939 besorgte ihr eine Cousine ein residents permit, so dass sie als Haushaltshilfe in England arbeiten konnte. Mit zehn DM kam sie nach England, musste in der Küche essen. Ihre Familie zog um in die Nähe von Oxford. Ein englischer Pfarrer, der in Deutschland studiert hatte, vermittelte ihr die Bekanntschaft mit ihrem Namensvetter Schoenfeld, der aus Wien geflohen war. Dieser war als Antiquar bei Blackwell angestellt. – Heute bekommt sie eine größere Rente aus Österreich.


Fräulein Steinitz:

Anzeige in der 'Times'. Pastor in Little Tew, Papiere bis 1935 zusammengeholt.

Pastor Jackson hat sie auch mitgenommen zum Cricket-Match, sie sollte für den Pfarrer Aufsätze schreiben, die er für sie korrigierte. – Polizist kam mit dem Rad zu ihr gefahren.

Denunziation: Ihre Freundin kam auch zu ihr. Gemeinsamer Besuch nach London bei einer geborenen Amerikanerin. ie bot ihr an, einen Brief an ihrem Bruder in Deutschland mitzunehmen. Fräulein Steinitz als einzige Frau in Oxford in Internierung, erst nach einem Jahr erfuhr sie den Grund. Die Frau hatte den Brief Scotland Yard gegeben. Sie wurde nach Holloway gebracht mit britischen Faschisten zusammengesteckt. Es gab keine Zeitung, kein Radio.

Bei ihrer Internierung auf der Isle of Man hatte die gelernte Sekretärin Fräulein Steinitz als Arbeit, die Schweine zu hüten.

Das Amadeus-Quartett hat sich auf der Isle of Man zusammengefunden.

Ein Sohn aus der Familie, erster Osteopath in Oxford übernahm sie hier.Das Amadeus – Quartett hat sich auf der Isle ofmen zusammen gefunden.

Mein Sohn aus der Familie, ein Sohn aus der Familie war erster Osteopath in Oxford er übernahm sie. An einem freien Sonntagnachmittag ging sie zu einem Quäker Meeting und war erstaunt, dass alle schwiegen. Danach gab es Tee für alle Haushaltshilfen, die dorthin gekommen waren.

St. Mary's in der Highstreet lernte sie kennen, weil die Kirche hell erleuchtet war, weil die Orgel brannte. Frau Liepmann kam auf sie zu und schrieb sich ihre Adresse auf. Sie sagte: "Ich muss Sie einladen." Das erste Weihnachtsfest in der Gemeinde erlebte sie im Haus von Pastor Kramm.


Fräulein Else Josef:

Von den Juden wurde sie zu den Christie geschickt. Durch Zufall fand sie eine Quäkerin. Ihr Leben lang hat sie als Haushaltshilfe gearbeitet, kam aus dem Oderbruch.  Aus der Bundesrepublik bekam sie eine Rente von zehn Pfund pro Woche. Fräulein Josef: "Viele arme Deutschen haben so viel geholfen."


Frau Kurz:

Jede Nacht hat sie woanders geschlafen und der Familie nicht gesagt wo.

Des öfteren begleiteten nicht-jüdische Hausangestellte, die jüdischen Familien in die Emigration . Auch diese kamen in die deutsche Gemeinde.


Versammlungen von den Kriegsgefangenen gab es bei Friedhöfen in Farnborough und Birmingham.


Hans-Werner Calé:

Hans-Werner Calé wurde 1913 in Berlin geboren. Er besuchte das Gymnasium und machte 1934 das Abitur. Er wurde Mitglied der bekennenden Kirche bei Pfarrer Jakobi in Dahlem. Chancen für eine Ausbildung in einem akademischen Beruf gab es für ihn keine. So arbeitete er in einer Kunsthandlung. 1938 wurde er verhaftet und ins KZ Sachsenhausen bei Oranienburg gebracht. Da er erklärte, er wolle auswandern, wurde er zwei Tage vor Weihnachten entlassen. Ein Geschäftsfreund aus London hatte ihm die Garantie besorgen können, dass seine Einwanderung erlaubt werde.

Im Februar 1939 wurde er von der Society of Friends (den Quäkern) aufgenommen und auf einem Gut in Devonshire in der Nähe von Plymouth beschäftigt. Dann wurde er an ein Franziskanerkloster der Church of England vermittelt und im Winter 1939 (im Krieg) nach Cambridge geschickt, wo er nur Hausarbeit verrichtete, weil er keine offizielle Arbeit annehmen durfte. In Cambridge hat er Pastor Franz Hildebrand kennengelernt und einige Predigten von ihm im Manuskript erhalten. – Im Mai 1940 wurde er interniert: zunächst in der Nähe von Liverpool, dann auf der Isle of Man, im Sommer dann sechs Monate in Québec in Kanada. Dabei hatte er noch besonderes Glück, denn das erste Schiff, das Internierte nach Kanada brachte, wurde torpediert und sank. Das Schiff, mit dem er fuhr, wurde deshalb unter militärischen Geleitschutz nach Kanada gebracht. Im Winter gab es in Kanada keine zureichenden Unterbringungsmöglichkeiten, weshalb er wieder zur Isle of Man zurückgebracht wurde. Dann meldete er sich zur Arbeit in der Landwirtschaft. Von Mai 1944-1945 hat er dann in der Nähe von Didcot in der Landwirtschaft gearbeitet. Seit 1941 besuchte er die Gottesdienste der deutschen Gemeinde in Oxford. Von 1945-1947 arbeitete er im Gartenanlagen in Oxford. Danach wurde er im Parker's Bookshop als Buchhändler für die ausländische Abteilung angelernt. Dort hat er wohl bis 1975 gearbeitet, ist dann in die englische Abteilung gewechselt und 1978 in Rente gegangen.

Etwa 1980 erlitt er einen schweren Schlaganfall, der ihn halbseitig lähmte. Trotz einiger Erfolge bei der Rehabilitation, die zu großen Teilen von Freunden der Gemeinde finanziert wurde, blieb er bis zu seinem Tode an den Rollstuhl gefesselt. Gottesdiensten, bei denen er nicht anwesend sein konnte, fehlte etwas, nicht nur seine kräftige Stimme im Kirchengesang. – Er starb im Sommer 1987.


Die Integrierunq der Kriegsgefangenen ins Gemeindeleben

Die Fähigkeit der Gemeinde, vieles selbst zu organisieren, wurde auf eine weitere Probe gestellt, als 1944 nach der Landung der Alliierten in Frankreich viele deutsche Kriegsgefangene gemacht und nach England gebracht wurden (in den Jahren vorher waren deutsche P.o.W.s meist nach Kanada und Australien transportiert worden aus Sicherheits- und Ernährungsgründen; es handelte sich damals sowieso nur um geringe Zahlen). Jetzt mussten in England überall neue Lager eingerichtet werden. Pastor Birger Forell wurde von der Y.M.C.A. beauftragt, sich um die kulturellen Belange der P.O.W.s zu kümmern. Er setzte sich mit seiner ganzen Persönlichkeit dafür ein.
Wenn er seine Bekannten besuchte, stand er vor ihren Bücherschränken und sagte: "Wie könnt Ihr es eigentlich mit Eurem Gewissen vereinbaren, dass Ihr so viele Bücher habt, die Ihr gewiss gar nicht wieder lest, und in meinen Lagern ist oft nicht ein einziges Buch."
Vor allem aber lag Pastor Forell die Einrichtung von Gottesdiensten und Seelsorge in den Lagern am Herzen. Er war vor dem Krieg Pfarrer an der Schwedischen Gesandt­schaft in Berlin gewesen, hatte in enger Fühlung mit der Bekennenden Kirche ge­standen und wusste um die Probleme der Christenheit im Dritten Reich aus eigener Anschauung. Er kannte auch H.W. Kramm gut. Es gelang ihm bald, das War Office zu überzeugen, dass es für ihn als einzelnen unmöglich sei, in allen Lagern Gottes­dienste zu halten, die Pfarrer herauszufinden, die als Lagerpfarrer geeignet waren und sie auf die verschiedenen Lager zu verteilen. Die Pfarrer in Deutschland und Österreich mussten ja - anders als im 1. Weltkrieg - mit der Waffe dienen und waren so als P.O.W.s zunächst unkenntlich von den anderen. In einem Lager mochten ver­schiedene sein, in einem anderen keine. Da Pastor Forell sich für H.W. Kramm ver­bürgen konnte, gab das War Office die nötige Erlaubnis, und bald waren sie beide in jeder freien Stunde in den Lagern. Es ging in der Gemeinde nicht ohne Seufzen darüber ab, dass der Pastor so oft weg war, aber man sah doch die Notwendigkeit ein.
Am 11. August 1946 durften zum erstenmal P.O.W.s an Gottesdiensten in der Nähe ihres Lagers teilnehmen. In St. Mary's erschienen an diesem Sonntag etwa 350 Kriegsge­fangene aus dem Lager bei dem Vorort Hinksey. Fast die ganze Belegschaft, Evangelische und Katholiken, Kirchliche und Unkirchliche, fanden sich zu der Predigt von Prälat Maas aus Heidelberg zusammen. Er war einer der ersten kirchlichen Gäste aus Deutschland, dem die englische Kirche eine Besuchserlaubnis nach England wegen seines Einsatzes für die nichtarischen Christen in den vergangenen Jahren hatte verschaffen können. Er war besonders geeignet, der Gemeinde und den P.O.W.s in seiner Predigt über den sinkenden Petrus, Matth 14, das rechte Wort zu sagen.
Die Verordnung des War Office war: "Nur Teilnahme am Gottesdienst. Keine Gespräche mit Zivilisten." Eine undurchführbare Bestimmung. Jedes Gemeindeglied war nach dem Gottesdienst sofort von vier bis fünf P.O.W.s umgeben, die fragten: "Wo kommen Sie denn her? Ist hier jemand aus Hannover, Stuttgart, Berlin usw.? " Die Non-Commissioned Officers sahen philosophisch zu und erklärten nach zwanzig Minuten, es sei nun Zeit, zum Abendbrot zu gehen. Bis zum nächsten Gottesdienst war die unmögliche Bestimmung zum Glück schon gefallen, und seither tranken die P.O.W.s friedlich mit der Gemeinde Tee oder Kaffee in der Old Library.
Wenn man die Erfahrung bedenkt, die viele der nichtarischen Christen in Deutschland hatten machen müssen, ist es erstaunlich, dass es ohne grosse Schwierigkeiten gelang, die Kriegsgefangenen zu integrieren, die ja von einem ganz anderen Hintergrund her kamen. Else Joseph sagte später, dass es für sie wichtig gewesen sei, gerade diesen Menschen zu zeigen, 'dass wir gar nicht so sind, wie sie es sich vorgestellt haben, dass wir gar nicht so sind, wie es ihnen geschildert wurde.'
Dass es bei den gemeinsamen Unternehmungen gelegentlich auch zu kleineren Missgeschicken kam, störte offensichtlich wenig. Bei einer Gelegenheit beispielsweise organisierten einige Frauen aus der Gemeinde ein Picknick für die Kriegsgefangenen, um ihnen mit einem schönen Ausflug ins Grüne etwas Abwechslung von ihrem Gefangenenleben zu verschaffen. Man traf sich in Oxford am Gloucester Green und fuhr dann mit dem Bus zu dem für das Picknick ausersehenen Ort, dem Boars Hill. Dort wurde im Freien gegessen. Als es auf fünf Uhr zuging, sagten die Frauen: "Nun müssen Sie ins Lager zurück. Da wollen wir uns mal schnell auf den Heimweg nach Oxford machen." Da lachten die Kriegsgefangenen etwas beschämt und erwiderten: "Also, wir wollten es ihnen nicht sagen, aber unser Lager ist da unten, am Fusse des Hügels."
Unter den Kriegsgefangenen, die damals nach England kamen, war auch Kurt Schult, der heute noch in der Gemeinde aktiv ist. An seine ersten Kontakte erinnert er sich gerne zurück:
Wir landeten in Tilbury, das war unser erster englischer Hafen. Dann wurden wir zum zwölf Meilen von Oxford entfernten Flughafen Benson gebracht. Wir waren 52 Gefangene, und wir haben die zwei Jahre auf dem Flugplatz gut ver­bracht. Wir durften uns zunächst aber nur im Umkreis von einer Meile bewegen. Ende 1946 hörten wir dann von den deutschen Gottesdiensten in St. Mary's in Oxford. Wir wurden sehr gut aufgenommen. Die Kirche war wie ein Stück deutsche Heimat für uns.
Der Brand in der Universitätskirche
Ein Ereignis, an das sich alle der frühen Gemeindeglieder erinnern, ist der Brand in der Universitätskirche St. Mary's, der durch die deutschen Lutheraner entdeckt wurde. Am 17. November 1946 fand dort ein Gottesdienst statt, und - wie gewohnt - traf man sich anschliessend zum Tee in der Old Library. Plötzlich gingen die Lichter aus. Marianne von Kahler, die das Feuer entdeckte, beschreibt die Geschehnisse:
Meine Freundin, Hilde Münz, wollte eine Kerze vom Altar holen. Ich wusste, dass noch einige Kerzen in der Sakristei sind, und ging hinunter. Als ich durch die Kirche kam, sah ich, dass das Schaltbrett direkt unter der Orgel-Empore brannte. Die elektrischen Leitungen der ganzen Kirche sollten in vier Wochen neu gelegt werden. Es war nun schon zu spät. Hilde unterrichtete Frau Liepmann. Wir wollten vorsichtig sein und keine Panik auslösen - die Old Library war sehr voll, fünfzig Kriegsgefangene hatten am Gottesdienst teilgenommen- Doch Frau Liepmann rief: "Out!", und die fünfzig deutschen Helden waren in einer halben Minute draussen. Als wir herunterkamen, standen die Kriegsgefangenen in zwei Reihen aufgereiht. Frau Liepmann fragte: "Was ist denn hier los?" und er­hielt zur Antwort: "Madam, wir erwarten ihren nächsten Befehl!" Darauf bemerkte Frau Liepmann: "Die sind aber gut gezogen."
Die Gemeindeglieder unterrichteten dann Mr. Milford und die Feuerwehr und halfen dabei, die wertvollen Sachen aus der Sakristei herauszutragen. Der Dachstuhl des Chores brannte aus, die Kirche wurde gerettet, wie Mr. Milford später sagte: "Thanks to the presence of the Lutherans on the premises." Das letzte Lied, das die verbrannte Orgel begleitet hatte, war: "Drum weiss ich, was ich glaube, ich weiss, was fest besteht und nicht im Erdenstaube wie Staub und Rauch vergeht."

In der Tradition der Bekennenden Kirche

Nach dem Brand waren das Kirchenschiff und die Old Library bald wieder benutzbar, der Chor wurde durch eine Asbestwand vom Schiff abgetrennt. So konnte die Gemeinde mit den P.O.W.s bis zum 12. Januar 1947 eine Advents- und Weihnachtsfeier nach der anderen halten. Am 15. Dezember 1946 kam Pastor Eberhard Bethge, der Freund Bonhoeffers, zur Gemeinde. Der Gesang von 150 Kriegsgefangenen sprengte fast die Decke der Old Library. Pastor Bethge sagte etwas wehmütig: "Wenn man in Berlin doch auch so viele Männer in der Kirche hätte!"
Erstaunlich war es, dass für vier Feiern Weihnachtsgebäck hersgestellt werden konnte, denn seit Kriegsende (und dem Ende von "land and lease" aus USA) waren auch Brot und Mehl rationiert. Ausserdem bemühte sich die Gemeinde, kleine Lebensmittelpakete nach Deutschland zu schicken, wurde dabei auch grosszügig von englischen Freunden unterstützt, die beispielsweise mit Brot-, Fett- und Zuckermarken aushalfen. Im Herbst 1947 entschoss sich Pastor Kramm, ganz nach London zu gehen und dort neben der St. Marienkirche auch die Hamburger Lutherische Kirche zu übernehmen, die bis dahin von einem alten methodistischen Pfarrer versehen worden war.
Bei Kramms letztem Gottesdienst als Pfarrer der Oxforder Gemeinde am 19. Oktober war als Gast Pastor Kurtz von der Zwölfapostel-Kirche Berlin anwesend, der ein Jahr später in Oxford Pfarrer werden sollte. Bis dahin musste sich die Gemeinde durchschlagen, so gut es ging. Konnte keiner der in den deutschsprachigen Gemeinden amtierenden Pfarrer den Gottesdienst übernehmen, so gelang es meist, einen der kriegsgefangenen Pfarrer dafür zu bekommen. Dieser erschien dann schon am Vormittag mit einem ganzen Lastauto voll P.O.W.s, denen die Gemeindeglieder die Colleges zeigten und mittags in der Old Library zu ihrer Verpflegung Tee machten. Später, nach dem Gottesdienst, musste es Kaffee sein, zu dem Pastor Bengt Noack (später Theologieprofessor in Kopenhagen, damals mit einem theologischem Stipendium) den Extrakt in Flaschen im Rucksack herbeischleppte. Die Gasflamme in der Old Library produzierte kochendes Wasser nur sehr langsam. Und wenn es einmal mit den P.O.W.s nicht klappte, sprang immer Pastor Noack ein: "Wenn ich es bis Freitag weiss, mache ich Ihnen bis Sonntag eine Predigt!" Auch Lothar Schreiner, der erste deutsche theologische Nachkriegsstudent im Mansfield College, predigte gelegentlich. Im Sommer, am 11. Juli 1948, wurde der Gemeinde sogar der Gemeindetag zugemutet. Die zahlreichen Gäste wurden in Springfield St. Mary's und privat untergebracht. Obwohl einige Gemeindeglieder hinsichtlich der Organisation etwas besorgt waren, verlief der Gemeindetag erfreulich. Grossen Eindruck machte die warmherzige Art von Pastor Oostergreen vom Lutheran Council of Great Britain, der sich auch für die finanziellen Probleme der Gemeinde interessierte, da ein Zuschuss vom Kaiser-Wilhelm-Fond für ein zukünftiges bescheidenes Pfarrer-Gehalt nichts ausreichte. Nach der einjährigen Vakanz trafen im Herbst 1948 endlich Adolf und Eva Kurtz ein. Domherr Kurtz hatte die Gemeinde zuerst im Winter 1938/39, nach der Reichskristallnacht, besucht, kannte auch Pastor Kramm von der Bekennenden Kirche her gut. Die Familie hatte schwere Zeiten durchmachen müssen.
Der in Berlin geborene Adolf Kurtz war 1920 ordiniert worden und später Pfarrer der Zwölfapostel-Kirche in Berlin geworden. Von Anfang an war Pastor Kurtz ein entschiedener Gegner der Nazis gewesen und hatte eng mit Martin Niemöller zusammengearbeitet. Im November 1934 organisierte er ein Massentreffen von ca. 20.000 Christen in Berlin. Als dieses vom Polizeichef Heydrich verboten wurde, arrangierte Kurtz ein Treffen mit Hermann Goering. "Goering war angezogen wie Falstaff in den 'Glücklichen Weibern von Windsor', mit Schwert, grünen Reithosen und grünen Reiter­stiefeln", erinnerte sich Kurtz später lachend. Aber es gelang ihm, Goering zu überzeugen, das Treffen zu erlauben.
Als Niemöller 1938 ins Konzentrationslager gebracht wurde, führte Pastor Kurtz den Kirchenkampf in Berlin fort. Er war einer der Gründer der Bekennenden Kirche. Verheiratet mit einer nichtarischen Frau, baute er eine Schule für judenchristliche Kinder auf. "1940 war das schlimmste Jahr", fasste er seine Erfahrungen später zusammen, "denn damals kam ein Anwachsen der rassischen Verfolgung." Viele Male wurde er von der Gestapo befragt und verhaftet, und 1942 wurde er zu einem Gespräch mit Eichmann zitiert, der die Schliessung seiner Schule veranlasste.

Gegen Ende des Krieges wurden die Verfolgungsmassnahmen für die Familie Kurtz immer schlimmer. Eva Kurtz zog es vor, immer bei anderen Freundinnen zu übernachten, damit ihre Kinder ehrlich sagen konnten: "Wir haben keine Ahnung, wo unsere Mutter ist."
Nach dem ersten Schrecken der Eroberung Berlins und infolge der Wirren der ersten Nachkriegsjähre entschlossen sich Sohn und Tochter von Adolf und Eva Kurtz, nach Rio de Janeiro auszuwandern. Im gleichen Jahr, 1948, nahmen die Eltern die Pfarr­stelle in Oxford an. Da dies dasselbe Jahr der Blockade Berlins war, mögen die Eltern auch befürchtet haben, von den Kindern ganz abgeschnitten zu werden. Domherr Kurtz machte sich, in jeder Beziehung von seiner Erau unterstützt, alsbald mit grossem Eifer an den Aufbau der Gemeindearbeit, und zwar nicht nur in Oxford, sondern auch in Birmingham und in Westcott bei Aylesbury.
In Birmingham war während des Krieges eine deutschsprachige Gemeinde gewesen, ge­leitet von dem lutherischen österreichischen Pfarrer Deutschhausen, bis dieser nach Kanada weiterwanderte. 1949 nahm Pastor Kurtz die Gemeindearbeit dort wieder auf und hielt im Januar den ersten der fortan monatlichen Gottesdienste in einer angli­kanischen Gemeinde in Edgbaston.
Schon Pastor Kramm hatte kurz vor seinem Abschied aus Oxford die deutschen Wissen­schaftler besucht, die, von der englischen Regierung engagiert, nach Westcott ge­kommen waren. Aber erst Pastor Kurtz konnte die Arbeit dort aufnehmen, d.h. einmal im Monat hielt er Gottesdienst in Verbindung mit Kindergottesdienst, wobei möglichst am Vorabend Bibelstunde gehalten wurde, entsprechend der Arbeit in Birmingham.
Da die Wissenschaftler damals wenig Kontakt über Westcott hinaus hatten, waren sie sehr dankbar für die Verbindung mit der übrigen Welt, die Pastor Kurtz ihnen brachte, ebenso für den deutschen Religionsunterricht.
In Oxford begann Pastor Kurtz im November 1948 in dem zentral gelegenen Kapellraum
des Y.M.C.A. in der George Street mit den wöchentlichen Bibelstunden, die gut be
sucht waren. Nach den Erschütterungen der letzten Jahre waren die Herzen offen für das, was Gottes Wort zu sagen hatte. Auch wollte die Gemeinde gerne möglichst viel über die Erlebnisse der Kirche in Deutschland im Krieg und während der ersten Nachkriegsjahre erfahren.
Pastor Kurtz fing seine Bibelstunde mit einem Bericht über die Weltkirchenkonferenz in Amsterdam an, an der er teilgenommen hatte. Dann besprach er das Buch Daniel und das erste Buch Mose. Die Frage war: Was ist der Sinn der Weltgeschichte und des menschlichen Lebens? Es folgte die Besprechung der Offenbarung des Johannes. Das waren Bücher der Bibel, welche die Bekennende Kirche in den vergangenen 15 Jahren stark beschäftigt hatten.
Auch kamen in den Jahren 1949/50 viele Gäste aus der Bekennenden Kirche nach Oxford, Martin Niemöller, Bischof Lilje und viele andere kamen, zum Teil von den englischen Kirchen eingeladen, die ihnen auch zu den permits und dem Reisegeld verhalfen. Manchnal kamen sie auch als Gäste zu lutherischen oder ökumenischen Tagungen, bis­weilen auch schlicht zur Erholung. So konnte die Oxforder Gemeinde an manchen besonderen Gottesdiensten teilnehmen.