Freitag, 14. Oktober 2011

Gemeindeleben in den Fünfziger Jahren

Die Gemeinde war mittlerweile grösser geworden: Einige Kriegsgefangene waren in England geblieben und hatten eine Familie gegründet. Dazu kamen seit 1947 Schweizer und österreichische Haustöchter ins Land.
Ein weiteres, ganz wichtiges Element waren schliesslich.deutsche Frauen, die mit Engländern verheiratet waren und für die Oxford somit meist nicht nur zu einer Übergangsstation, sondern zu einem dauerhaften Wohnsitz wurde. Seit dieser Zeit kamen auch immer wieder einige Engländer in den Gottesdienst, um Deutsch zu lernen.
Der Jugendkreis wurde bis zum Frühjahr 1950 vielfach von Pastor Martin Krapf geleitet, der zuerst 1947 als P.O.W. nach Oxford kam, um an einem Kursus für deutsche kriegsgefangene Pfarrer im Shotover Hill Camp teilzunehmen. Dieser Kursus schloss mit einem Abendmahlsgottesdienst in St. Aldates, der ca. um 9 Uhr zu Ende war. So konnten die Pfarrer gerade noch die 101 Glockenschläge der Uhr im Tom Tower hören, mit denen die Studenten seit der Reformationszeit abends ins College zurückgerufen werden.
Martin Krapf bekam von 1948 bis 1950 das Stipendium für ausländische Theologen im Mansfield College, das vorher Lothar Schreiner und im Krieg Dr. Hirschwald (jetzt Dr. Hartwell) gehabt hatten, letzterer der spätere langjährige Herausgeber der 'Bridge', des Blattes der German British Christian Fellowship, die von Bischof Bell 1942 gegründet worden war. Pastor Krapf, verheiratet mit Hilde Münz, einem langjährigenMitglied des Oxforder Kirchenvorstandes, ist später noch viele Jahre Pfarrer in den Gemeinden Newcastle, London II und Cambridge gewesen.
Ende 1950 konnten Herr und Frau Kurtz endlich die enge Zwei-Zimmer Wohnung in Stratfield Road verlassen und in das vom Lutheran Council of Great Britain der Ge­meinde geschenkte Haus in 24, Hamilton Road ziehen. Auch dort waren die Zimmer nicht gross, aber man hatte doch die Möglichkeit, den Jugendkreis und andere Gemeinde­veranstaltungen im Pfarrhaus zu halten. Da nicht immer passende Helfer zu finden waren, übernahm Pastor Kurtz den Jugendkreis allmählich selbst. Es waren meist einige deutsche Studenten in Oxforder Colleges. Bei der Aufnahme von Ausländern in eines der Colleges wurden und werden graduates bevorzugt, d.h. solche, die schon den Doktor oder ein anderes Universitätsexamen gemacht haben, da das englische Studium anders als das deutsche aufgebaut ist.
Frau Eva Kurtz, die heute in London, lebt,schildert das damalige Gemeindelebenfolgendermassen:
Zweimal im Monat fanden Gottesdienste in St. Mary's statt. Besonders eindrucks­voll waren die grossen Adventsgottesdienste mit Chören von Studenten. Der Grün­dungstag der Gemeinde, im Februar, wurde unter Mitwirkung von Rev. Lee, dem damaligen Pfarrer von St. Mary's immer feierlich begangen.
Bis 1956 fuhr mein Mann mit der Bahn und dem Bus nach Birmingham und Coventry. Erst ab 1956 hatte er einen Wagen, den ich fuhr.
Zu dieser Zeit gab es in der deutschen evangelischen Gemeinde Oxford einen Chor, der die Gottesdienste verschönerte. Dieser Chor sang zunächst unter meiner Leitung dreistimming, später unter der Leitung eines Engländers vierstimmig. Ausserdem gab es jede Woche eine Bibelstunde und einen Jugendabend. Nach der Christvesper versammelte sich eine Gruppe von Au-pair- Mädchen, die nicht nach Hause fahren konnten, im Pfarrhaus zum gemeinsamen Singen und Essen. Die Finanz­lage war etwas angespannt. Ursprünglich musste die Gemeinde für die Unkosten selbst aufkommen. Grössere Zuschüsse gab es lediglich durch den Kaiser Wilhelm II-Fond und den Lutherischen Weltbund. Erst ab 1956 gab es auch Zuschüsse durch die EKD.
Insgesamt hat uns die Aufbauarbeit in Oxford viel Spass gemacht. Als mein Mann von der englischen Militärregierung in Deutschland um den Pastorendienst an den Kriegsgefangenen gebeten worden war, war nur ein Dienstjähr vorgesehen. Daraus sind dann 14 Jahre geworden!

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